Kopflaus

Aus der "Cheleta jì vuela" des Naturforschers Kenan ap Lhazar


Die Läuse wurden bisher und werden von vielen Forschern noch jetzt für nahe Verwandte der Schnabelkerche gehalten und mithin an die Sippschaft der wanzenartigen Insekten, unter denen es ja auch an widerwärtigem Ungeziefer nicht fehlt, angegliedert. Ich hingegen bin der Auffassung, daß die Läuse den Agunaren am nächsten stehen, so daß also die besonderen Eigentümlichkeiten in der Bauart der Läuse nur als weitergehende Anpassung an eine schmarotzende Lebensweise anzusehen sind.

Meist ist es ja so, daß eine Tierart nur von einer bestimmten Sorte von Läusen geplagt wird, doch macht schon der Mensch, so man ihn denn als Tier bezeichnen mag, in dieser Hinsicht eine unrühmliche Ausnahme, denn nicht weniger als drei verschiedene Arten von Läusen können sich auf verschiedenen Stellen seines Körpers ansiedeln.

An dieser Stelle soll die Kopflaus beschrieben werden.

Der abgeplattete Körper dieses häßlichen Parasiten ist, wie bei allen Lausarten, ganz flügellos und erreicht eine Länge von nicht einmal einem Drittel Clat. Mit einem guten Binokular lassen sich fünfgliedrige Fühler erkennen. Von den Mundteilen ist äußerlich nichts zu sehen, erst dann, wenn die Laus Appetit verspürt und Blut saugen will, kommen einige, bis dahin im Kopfinneren verborgen gewesene Teile zum Vorschein. Zunächst wird der Anfangsteil des Nahrungskanals, ich habe ihn Munddarm genannt, ausgestülpt, ein röhrenförmiger Rüssel, der fest auf die Haut angesetzt wird. Danach tritt ein Bohrstachel hervor, vermute ich, der bisher in einer besonderen Tasche verborgen war, und durchdringt die Haut bis zu den tieferen blutführenden Schichten.

Die sechs an den nur undeutlich getrennten Brustringen sitzenden Beine sind für die Kopflaus wichtige Apparate zum Klettern und Anklammern, mit ihnen steigt sie langsam und bedächtig im Haarwald umher und hält sich dabei an den Haaren fest.

Der Hinterleib setzt sich aus neun, oft nur undeutlich getrennten Ringen zusammen. Läuse sind eierlegende Tiere. Da es an Nahrung und Wärme, die die Kopfhaut ja immerwährend in reichem Maße spendet, nicht fehlt, so sind die Wachstumsbedingungen für die Läuse außerordentlich günstig, und das hoffnungsvolle junge Tier, das in Körperbau und Benehmen ebenso wie in seiner Leidenschaft für das Blutsaugen von vornherein den Eltern gleicht, vermag schon in etwa 2-3 Wochen wieder zu einer vermehrungsfähigen Laus heranzureifen.

Als plebejisches Geschöpf hält sich die Kopflaus, an deren Wiege die Grazien gerade nicht gestanden haben, vorzugsweise auf den ungekämmten und ungewaschenen Köpfen wandernder Handwerksburschen, fahrender Bettler und gefühlloser Bauernrüpfel auf. Die Soldaten sucht sie nur zur Zeit des Krieges heim, da diese alsdann Besseres zu tun haben, als Läuse zu töten. Im übrigen steht aber fest, daß auch Menschen, die es keineswegs an der nötigen Reinlichkeit fehlen lassen, durch einen unglücklichen Zufall leicht einmal an Läuse geraten können.

Jedenfalls führt die Kopflaus ihren Namen mit Recht, da sie sich selten an anderen Körperstellen als dem Kopfe findet. Je wirrer, schmutziger und vernachlässigter das Kopfhaar ist, umso üppiger gedeiht dieses widerliche Ungeziefer, das bei Berührung des Haares oder Wechsel der Kopfbedeckung leicht von einer Person zu einer anderen übertragen werden kann. Kinder werden erfahrungsgemaß leichter als Erwachsene befallen.

Das Bohren und Saugen der Läuse ruft ein lästiges Jucken hervor, das dem von solchen Bewohnern Geplagten Veranlassung zu häufigem Kratzen gibt. Hierbei entstehen leicht blutrünstige Stellen, die unter Umständen für Krankheiten Eingangspforten sind, so daß das Ungeziefer allein schon aus hygienischen Gründen immer bekämpft werden muß.

Reinlichkeit und Kurzhalten der Haare können bereits in gewissem Sinne als Gegenmittel gelten; wirksamer sind Waschungen des Kopfes mit Sublimatlösungen oder Petroleum oder der Einwirkung des - feuergefährlichen - Schwefeläthers unter einer den Kopf bedeckenden Kappe und nachheriges Auskämmen des Haares, wodurch mit Sicherheit etwaige unerwünschte Ansiedler vertrieben werden. In machen Gegenden sucht man auch dem lieben Nächsten durch emsiges Absuchen, so gut es geht, Abhilfe zu verschaffen, und die hierbei glücklich zur Strecke gebrachte Jagdbeute wandert, wie ich selbst beobachten konnte, ohne weitere Umstände regelmäßig in den Mund.