[Gebete] [Priesterschaft] [Uhrenturm] [Vro'ajian]




Hoch auf dem Felsen der Oberstadt erheben sich dicht nebeneinander, miteinander verbunden, zwei mächtige Gebäude: der Tempel des Delvan und das Kloster der Endrakha.

Das Kloster ist ein mächtiger, siebeneckiger Bau aus dunkelgrauem, beinahe schwarzem Stein. An sechs Seiten sind Gebäudekomplexe errichtet, die weit vom Zentrum des Baus wegstreben, drei, vier Stockwerke hoch und mit großen Fenstern versehen, die jedoch von der Straße aus nicht einzusehen sind, die siebte Seite bildet die Verbindung zum Delvantempel. Dominiert wird das Kloster jedoch von einem hohen und schlanken Turm, der sich unter der Spitze wieder verbreitert - rätselhafte große Tore sind dort oben zu sehen, die zu Räumen im Inneren führen.

Ihr betretet das Gebäude. Abrupt versiegt der Lärm der Straßen, sogar das stete Rauschen, das von der geschäftigen Unterstadt heraufschallt und durch alle Ritzen in die Häuser sickert, bleibt außerhalb dieser gewaltigen Mauern.
Angenehme Kühle umfängt Euch ebenso plötzlich wie die Ruhe. Delvans Wärme dringt nicht durch dieses Bollwerk, doch es gibt eine Überraschung - der von außen plan und massiv erscheinende schwarze Schiefer ist hin und wieder durchzogen von hauchfeinen quarzenen Adern, kaum zwei Finger dick und jeweils ein bis zwei Vat lang, in einer Laune der Göttin rot, blau oder grün eingefärbt, die in der fensterlosen Vorhalle, von Delvans Strahlen durchdrungen, regelrecht glühen.


Doch dies ist nur die Vorhalle. Dringt Ihr weiter vor, vorbei an der Wache am Tor, weicht die Ruhe unvertrauten, teilweise erschreckenden Lauten: vielleicht dringen aus der Halle des Krieges rauhe, fauchende chirànische Stimmen, betend oder seltener singend, untermalt von zahlreichen Schlaginstrumenten in einem peitschenden, aufwühlenden Rhythmus, der die Göttin im Kampfaspekt gnädig stimmen soll. Vielleicht hört Ihr die verzweifelten Schreie eines Tieres in Agonie, das in der Halle der Jagd als Dank für den Erfolg auf dem wuchtigen, uralten Altar geopfert wird, während das Blut in kunstvoll verschlungenen Bahnen durch die Blutrinnen außerhalb der dicken Platte und der massiven Beine fließt in der Perversion eines Kunstwerks, und unter dem mächtigen Stein in zwei kupfernen Schalen aufgefangen wird. Und vielleicht - nun, was auch immer aus der Halle der Leidenschaften dringen mag, es mag gewöhnlich oder außergewöhnlich, laut oder leise, neu oder altvertraut sein - denn ungezählt sind die Passionen denkender Wesen!

Jeder Klosterangehörige, den Ihr seht, ist ein Individuum. Jeder trägt Kleidung oder Rüstung nach seinem Wunsch und Willen, und keiner ähnelt dem anderen, entsprechend dem Dogma Mra-Aggars. Nur die Farbe ist stets dieselbe, von den übermütigen Novizen, die zum Kampftraining in den Delvantempel hinüberstürmen, über den Akolythen, der weltlicher orientiert ist, aber dennoch Dienst an der Göttin tut, bis hin zum Geweihten, der sein Leben im Wortsinn der Göttin geweiht hat: reinstes, sattes Schwarz mit der zusätzlichen Farbe des Aspekts, die sich manchmal in satten Flächen, manchmal nur über den schmalen Rand eines Amuletts bemerkbar macht.

Doch vorerst gelangt Ihr durch einen Zugang, der durch eines der Gebäude hindurchführt, ins Innere. Aus einer Pförtnerloge kommt eine junge Chirà auf Euch zu und verneigt sich höflich.

"Sichàra. Wie kann ich Euch helfen?"



GEBETE


Halle der Jagd
Halle des Krieges
Halle der Leidenschaft



PRIESTERSCHAFT




UHRENTURM


"Den Uhrenturm?" Die Chirà lächelt. "Eines der größten Wunder Estichàs. Ihr habt recht, er ist es wert, mit Muße betrachtet zu werden. Nun denn, folgt mir bitte."

Die Novizin geht mit dem typischen, federnden und lautlosen Schritt ihrer Rasse voraus bis tief ins Innere des Klosters. Dieses besteht aus einem fensterlosen, siebeneckigen Turm, der sich über siebzig Vat hoch erstreckt und etwas Einmaliges birgt: an einer schmalen Säule im Zentrum des Turms gleitet eine Lampe mit Reflektionsschirm auf und ab und beleuchtet golden auf der einen Hälfte der Innenseite des Turms Gemälde, die die Götter der Tagstunden darstellen - und einen halben Tag später im silbernen Licht des Mondes die Göttinnen der Nachtstunden auf der anderen Seite.

Auf Höhe des Betrachters jedoch befinden sich rund um den Turm in einem Umlauf, der circa zehn Vat hoch ist und eine größere Grundfläche bietet als der Turm selbst, farbenprächtige, von zahllosen Fackeln aus der Dunkelheit gerissene Jagd- und Schlachtendarstellungen; darüber hängen große, bunte Flaggen der großen Häuser der Chirà, Menschen und Sragon, die sich in diesen alten Künsten hervorgetan haben, an sternförmig verspannten Seilen hoch über den Köpfen.

Durchgänge führen von den sieben Seiten der großen Halle in die angeschlossenen Gebäude, die die Gemächer der Priester, Novizen und Laien und der Bediensteten beherbergen, sowie die Hallen des Krieges, der Jagd und der Leidenschaft - und den Durchgang zum benachbarten Delvantempel, der dem Endrakhakloster eng verbunden ist.

Die Novizin wartet höflich, bis Ihr die Betrachtung beendet habt, und fragt dann: "Kann ich noch etwas für Euch tun?"



VRO'AJIAN - ENDRAKHAS HEILIGER DONNER


Die Flugechsen mit dem unverwechselbaren Geräusch, das die Flügel im Flug erzeugen und das ihnen ihren Namen gab, stammen aus dem Hochland zwischen Chiàn und Rash-Magapur. Die seltenen Weibchen werden bis höchstens zwei Vat dreißig groß, viereinhalb Vat lang und haben eine Flügelspannweite von bis zu sieben Vat. Sie werden in den allermeisten Fällen in den Zuchtstätten unter Verschluß gehalten, um Diebstahl und Mißbrauch zu vermeiden. Sehr selten wird eines von einem Hohepriester als Reittier benutzt. Sie unterscheiden sich von den männlichen Tieren durch ihre eher schlichte Farbe in bräunlichen Tönen, die oft mit grünlichen Flecken oder Streifen durchzogen ist, was in ihrer natürlichen Heimat eine hervorragende Tarnung bietet. Sie sind außerdem sehr viel sanfter als die männlichen Exemplare. Der Schuppenpanzer der Hengste hingegen irisiert und leuchtet oft regelrecht im Delvanslicht. Häufig sind Tönungen in Erzgrün, Erzblau und glänzendem Dunkelgrau, seltener sind erzrote Exemplare. Äußerst selten sind Tiere in reinem Weiß oder Schwarz; für sie werden Höchstpreise gezahlt. Ihre Größe übertrifft meist die der Weibchen und kann bis zu zwei Vat siebzig Höhe, fünfeinhalb, knapp sechs Vat Länge und gigantischen zehn Vat Flügelspannweite erreichen, allerdings wurden bislang nur wenige Männchen dieser Größe in den Zuchtbüchern verzeichnet.

Die Haut der Flugechsen ist schuppig und bildet eine natürliche Rüstung beinahe am ganzen Körper. Ihre Schwachstelle sind die großen, ledrigen Flügel, die zwar kräftig und zäh sind, aber, da sie im Ruhezustand eng an den Körper gezogen werden können, eher dünn. Der Körper ist insgesamt dreigeteilt, jeder Teil ist ungefähr gleich groß. So sitzt der mit eindrucksvollen Zähnen bewehrte und ansonsten eher häßliche, langgestreckte Kopf an einem schlanken, beweglichen Hals, der in einen kräftigen, muskulösen Körper übergeht. Dieser ruht auf vier relativ kurzen, stämmigen Beinen, die das immense Gewicht der Tiere tragen, und endet in einem fleischigen Schwanz, der in einer kugelförmigen, schweren Spitze ausläuft, die wohl beim Fliegen ein Gegengewicht darstellt.

So unförmig und grobschlächtig die Echsen am Boden wirken, so elegant, schnell und wendig sind sie jedoch in der Luft. Von Natur aus mit starkem Jagdtrieb und großem Aggressionspotential versehen, läßt sich dies durch gezielte Ausbildung in geregelte Bahnen lenken und verwandelt die männlichen Tiere in fliegende Waffen, die sich mutig auf den Gegner stürzen und ihn sowohl mit ihrem schieren Gewicht erdrücken, als auch mit dem scharfen Gebiß und dem kugelartigen Ende ihres Schwanzes attackieren.

Heutzutage stammt beinahe jeder Hengst aus der chiàn’schen Zucht. In Freiheit lebende Tiere sind äußerst scheu und wild und lassen sich kaum zähmen. Jedes Tier wird registriert und erhält einen Namen, und wird es weggegeben, wird auch das festgehalten. Ebenso muß der Tod eines Tieres dem Züchter gemeldet werden. Nicht selten wird der Kopf der Echse nach Chiàn geschickt und dort ehrenvoll beigesetzt. Ist es ein besonders bedeutendes und berühmtes Tier, wird der Kopf präpariert und in einer Ehrenhalle ausgestellt.

Die einzige Zuchtstation von Bedeutung ist Eyrija, das Hauptkloster des Endrakhaordens in den Bergen hinter Chiàn. Seine Ausmaße sind gigantisch, und über die Hälfte der Fläche wird von den Zuchtanlagen eingenommen, wobei die kostbaren Stuten beinahe permanent in den Ställen gehalten werden, während die Hengste die meiste Zeit des Jahres frei fliegen und nur zum Fressen und Decken hereinkommen. Gezähmte Hengste sind überaus treu, wobei sie sich aber dennoch ihre Wildheit bewahrt haben, und erkennen ihre Herren auf weite Entfernung. Auf dem Schlachtfeld werden sie mit vernichtender Gewalt jeden angehen, der sich ihrem Reiter in feindseliger Absicht nähert.

Die einzige Möglichkeit, sie an einen Reiter zu gewöhnen, besteht in der Prägung an den Kult direkt nach dem Schlüpfen. Erfolgt diese nicht, läßt das Jungtier niemanden mehr an sich heran, sobald es flügge geworden ist. Und auch so verhält es sich recht aggressiv gegenüber Fremden – die freifliegende Hengstherde ist deshalb gleichzeitig eine erste Wachlinie gegen Eindringlinge. Nur Endrakhaangehörigen gelingt es, die Tiere beruhigen zu können und vorbeigelassen zu werden.

Stuten legen in der Regel alle sieben Stürme je drei Eier bei einer Brutzeit von vierzehn Wochen. Nur eines von zehn Jungtieren ist weiblich; sie verbleiben in Eyrija oder werden, seltener, an die niederen Zuchtstationen überall in Mradoshan abgegeben, um dort andere Weibchen zu ersetzen. Es befinden sich immer nur exakt neunundvierzig Stuten außerhalb des Klosters.

Die Zuchtbestimmungen sind streng, Paarungen werden streng geplant und überwacht, Natursprünge sind verboten. Dies war jedoch nicht immer so. Erst mit dem neuen Zuchtstammbuch, beginnend im Jahre 87 mit der legendären Stute Shizukana zu Eyrija im Besitz der Äbtissin Eljhanu Mirovo Ajeridas Akkrijian begann die strenge Selektion mit dem Ziel der Langlebigkeit, Kraft, Mut und Ergebenheit.

Und durchaus mit Erfolg. So werden die Drachen heute nicht selten 40 Stürme und älter im Vollbesitz ihrer Kräfte. Der vielgerühmte Cheros zu Nandrija trug seine Herrin noch mit 53 Stürmen in die Schlacht!

Nur Priester haben das Recht, überhaupt ein Tier zu erhalten, wobei der Kauf durch die Kulte selbst getätigt wird, nicht durch den Einzelnen. Die Preise liegen nicht selten bei über 30.000 Dublonen für ein nicht zugerittenes Jungtier, gut ausgebildete Tiere werden zwar seltenst verkauft, doch beträgt ihr Preis oft das Doppelte und mehr.

Hauptsächlich sind die Tiere im Endrakhakult im Einsatz, wo man sich ihre Wildheit und Kampfbegeisterung zunutze macht - einmal auf den Feind angesetzt, ist ein ausgebildeter Vro’ajian unter seinem Reiter eine tödliche Waffe! Oft findet man die Tiere auch im Delvankult, seltener in den anderen Kulten. Mehdorapriester bedienen sich hin wieder ihrer im Kampf, um schneller an Ort und Stelle zu sein. Ein Tier kann maximal einen Reiter unter Waffen in voller Rüstung sowie leichtes Gepäck tragen. Für Lastenbeförderung sind sie einzeln ungeeignet, es mag aber mit vier Tieren und einem speziellen Lastgeschirr möglich sein, etwas zwischen ihnen verspannt aufzunehmen, sofern die Reiter auf Gepäck verzichten.